Norbert Messler, »Karin Kneffe at Galerie Sophia Ungers«, Köln, in: Artforum International XXVIII,
Nr. 6 Febr. 1990 S. //pp. 152 -153

 

 

hunde 1989

1989, 200 x 250cm

 

Norbert Messler

 

Karin Kneffel , Galerie Sophia Ungers, Köln Febr. 1990

Karin Kneffels "bonne peinture" ist Malerei mit äußeren Mitteln. Verkörpern sie, oberflächlich betrachtet, ironisierende und irritierende Maßnahmen gegen bildliche Verbildungen von innen, so sind es doch alles andere als modernistische Malerklagen, die diese Leinwände äußerlich gestalten. Energische Schritte zurück in Malerei, in Richtung Malerei, unternimmt Karin Kneffel, Meisterschülerin von Gerhard Richter - mit ihren Tierdarstellungen. Zu sehen in der Galerie Sophia Ungers, entweder auf sehr großem oder auf sehr kleinem Format, sind Hunde, Hühner, Pferde, Kaninchen, Wildschweine. Bizarr, ein wenig skurril, tendenziell absurd, doch irgendwie auch liebenswert, fungieren die vortrefflich gemalten Tierkörper, sowohl in unwirklicher Massierung als auch in typisierender Vereinzelung, kompositorisch durchweg als eigenständige Erscheinungen. Pointiert und alles andere als Bildbeigaben, muten die Tiere in ihrer Bewegung, bzw. Nicht-Bewegung, mit ihrer Mimik und Farbgebung realistisch an, ohne jemals innerhalb der Komposition einen naturalistischen Ansatz zu verfolgen: künstlich und kunstvoll springt das Wildschwein in dunkelgrauer Farbkomposition, einsam und leicht mondsüchtig dreinschauend. Es verharrt in unwirklicher, spannungsschaffender Atmosphäre mit Agaven die Jagdhundmeute, hechelnd, schwanzwedelnd. Grandios ist der Misthaufen, mit stolzem Huhn obenauf und Hahnen- und Hühnergefolge unten herum; der Schatten einer Ente irritiert als Fremdform. Grandios ist auch die Landschaft in klassischer Staffelung, mit zusammengepferchten Kälbern in unrealistischer Massierung im Vordergrund und kulturlandschaftlichen Einhegungen im Hintergrund. - Stehen wir womöglich vor Kitschbildern?
Mitnichten: Karin Kneffel malt intelligente Bilder. Einerseits berühren sie mit einer, wenn man so will Morandi-Qualität die einfachen Dinge, und zwar mit Wärme und Anteilnahme demThema und dem Detail gegenüber; andrerseits sind sie aus einem Teil der Richter-Tradition heraus einer kühlen, präzisen Erfassung der Welt verpflichtet. In diesem Sinne, halb die Beschaulichkeit, halb die Anschauung beschäftigend, lassen sich Kneffels Bilder nur dialogweise befragen. Sich in traditio- nellen Sujets ausdrücken, dabei ein malerisches Grundgefühl zutage treten lassen, das Wesentliche eines einfachen Motivs herausschälen und in selbst eskälieren lassen, dies sind Elemente, die den Nährboden der Beschaulichkeit bilden. Er sorgt für eine genüßlich ruhende Sicherheit im nahezu passiven Wiedererkennen von Motiv und Sujet. - Im Gegensatz dazu und der Beschaulichkeit den Boden quasi wieder entziehend, jedoch mit ihr in einen kompositorischen Dialog tretend, ist die Anschauung bei diesen Bildern aktiv und nur mühsam zu erarbeiten. Das Unwirkliche der tierischen Massierungen oder Vereinzelungen, die neu- oder nacherfundene, präzis gemalte, zur Bildunwirklichkeit umkomponierten Wirklichkeitselemente, der zufolge die von der Malerin ins Bewußtsein gebrachten realistischen Motive niemals der Wirklichkeit entsprechen können oder sollen, dienen kaum allein -dem Aufbau bildlichen Inhaltes. Als ästhetische Mittel überbieten und unterwandern sie die Verwirklichung eines gegenständlichen Zieles, und werden selbst Teile der ästhetischen Struktur, d.h., sie selbst sind Komposition.
Es geht, so will es scheinen, in Kneffels Malerei um das Ausgleichen der Verhältnisse von Haupt- und Nebensache, von Komposition des Unwirklichen und Komposition des Wirklichen und umgekehrt, schließlich von autonomer Bildkraft und realistischer Darstellung. Zwischen diesen Verhältnissen scheint kein endgültiger, sondern nur ein spielender Ausgleich möglich. Denn zwischen Beschaulichkeit und Anschauung spielend, gewinnt das Bild in der Malerei Karin Kneffels neue stoffliche Wirklichkeit, und zwar vermöge einer Komposition, die mit scheinbar Bekannten den Schritt ins Unbekannte wagt und neue Maßstäbe setzt.

NORBERT MESSLER

 

Norbert Messler, »Karin Kneffe at Galerie Sophia Ungers«, Köln, in: Artforum International XXVIII,
Nr. 6 Febr. 1990 S. //pp. 152 -153